Thema: Wiedergabe von Schellackplatten


Auch wenn die Platten ursprünglich für die Wiedergabe auf Grammophonen vorgesehen waren, sollte man dies zur Erhaltung des Wertes und der Spielbarkeit nicht mehr tun. Die meisten heute erhältlichen Platten zeigen natürlich bereits mehr oder weniger starke Abnutzungserscheinungen, die die Wiedergabe beeinträchtigen.Insbesondere wenn man die Platten auf moderne Medien wie DAT-Bänder oder CD-R bzw. CD-R/W transferieren möchte, kommt der Wiedergabetechnik eine besondere Bedeutung zu. Ein optimales Ergebnis ist nicht ohne weiteres gegeben, da neben der Qualität der Platten selbst auch die Wiedergabetechnik einen entscheidenden Einfluß hat.

Folgende Punkte sind zu beachten:

Leider ist heute die Auswahl der Plattenspieler, die als Geschwindigkeit 78 Umdrehungen pro Minute bieten, nicht mehr besonders groß. Leider hat sich jetzt wohl auch die Firma Thorens vom Markt verabschiedet, die bis zuletzt mindestens ein Gerät mit 78 UpM im Programm hatte. Deren Geräte sind jetzt wenn überhaupt nur noch als Restposten erhältlich. Auch Dual-Plattenspieler sind vom Markt verschwunden. Allerdings besteht noch gute Möglichkeit, Plattenspieler gebraucht zu erwerben. Neben den Anzeigenblättern (z.B. www.annonce-online.de) gibt es auch laufend Angebote bei Online-Auktionen (z.B. www.eBay.de) oder auch bei Händlern, die sich auf gebrauchte HiFi-Geräte spezialisiert haben (z.B. Spring Air).

Hier eine Auswahl von Geräten, die 78 UpM bieten (teils mit erstem Herstellungsjahr):

Ebenso sind auch nur für bestimmte Tonabnehmersysteme Nadeleinschübe mit dem erforderlichen Nadelschliff erhältlich. Hier eine Auswahl:



Entzerrung

Erst ab den fünfziger Jahren war die bei der Herstellung der Platten notwendige Schneidkennlinie als RIAA-Kennlinie bzw. DIN 45541 genormt. In den Jahren vorher hatte praktisch jeder Hersteller seine eigene Kennlinie, die sich teilweise auch mit der Zeit änderte.

Alle Schallplatten, die vor 1925 erschienen sind, sind akustische Aufnahmen. Bedingt dadurch ist selbst bei optimalen Bedingungen die Bandbreite auf 150Hz bis ca. 2kHz beschränkt gewesen. Innerhalb dieses Bereiches ist der Frequenzverlauf theoretisch linear. Damit ist auch bei der Wiedergabe grundsätzlich keine Entzerrung erforderlich. Es zeigt sich jedoch, daß eine solche Wiedergabe bei den Tiefen nur ein unbefriedigendes Ergebnis liefert. Vermutlich ist hier bei der Aufnahme bedingt durch Schwächen des akustisch-mechanischen Aufnahmeprozesses (z.B. Hornresonanzen) Energie verloren gegangen. Eine Anhebung der Tiefen unterhalb ca. 300 Hz führt hier oft zu einer Verbesserung. Diese Anhebung darf aber nicht über die o.a. Bandbreite hinausgehen, da sonst nur Störgeräusche verstärkt werden.

Mit Beginn der elektrischen Aufnahmen wurden zunächst nur die Tiefen abgesenkt. Dies war technisch erforderlich, um beim Schneiden mit konstanter Geschwindigkeit (Schnelle) die Amplitude bei den Tiefen zu begrenzen. Nur so läßt sich ein Rillenabstand erzielen, der zu einer brauchbaren Spieldauer der Platte führt.
Zu Beginn der elektrischen Aufnahmen lag der Übertragungsbereich zunächst bei 100Hz bis 5000Hz. Durch stetige Verbesserung bei der Aufnahmeapparatur wurde der Bereich 1929 auf 50Hz bis 6000Hz und 1934 auf 30Hz bis 8000Hz ausgedehnt. Dies gilt dann bis Ende der dreißiger Jahre. Hier wurde die obere Grenzfrequenz auf ca. 10 kHz ausgedehnt. Erst 1944 wurde mit dem "ffrr" Verfahren von Decca eine Bandbreite von 30 Hz bis 14kHz erreicht.
Mit zunehmender oberer Grenzfrequenz tritt bei konstanter Schneidgeschwindigkeit das Problem auf, daß die Signalamplitude im Oberflächenrauschen unterzugehen droht. Das ist der Grund, warum mit den Jahren eine Anhebung der Höhen Anwendung fand.

Wie schon erwähnt, verwendete jeder Hersteller seine eigene Kennlinie, die sich teilweise über die Jahre auch änderte. Für die richtige Entzerrung benötigt man daher den Hersteller und ggf. noch das Jahr der Aufnahme. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verwendeten Eckfrequenzen mit einem Vergleich zu den Norm-Werten nach RIAA.
 
 

Übersicht der Eckfrequenzen zur Entzerrung von Schellackplatten

Hersteller

Untere Eckfrequenz [Hz]

Grenze der Tiefenanhebung [Hz]

Obere Eckfrequenz [Hz]

Akustische Platten

-

-

-

Brunswick,
Parlophone

500

-

-

Columbia (1925)

200

-

5.000

Columbia (1938)

300

-

1.590

Columbia, HMV (UK)

250

-

-

Decca (1934)

400

-

2.600

Decca ffrr

250

-

6.800

Deutsche Grammophon (bis 1950)

400

-

-

Deutsche Grammophon (1950)

400

-

5.200

Victor (1925)

200 - 500

-

5.000

Victor (1938)

500

-

5.000

Victor (1947)

500

-

2.600

RIAA/IEC

500

50

2.120

Die untere Eckfrequenz (+3dB Punkt) ist die Frequenz, unterhalb derer die Tiefen um 6dB/Oktave anzuheben sind, ggf. begrenzt bis zu einer unteren Grenze. Darunter ist wieder ein linearer Verlauf. Die obere Eckfrequenz (-3dB Punkt) ist die Frequenz, oberhalb derer die Höhen um 6dB/Oktave abzusenken sind.
Bei der ggf. erforderlichen Datierung der Aufnahme anhand der Platten- bzw. Matrizen-Nummer hilft  numbers.htm .

Die erforderliche Entzerrung kann nun auf folgende Weise vorgenommen werden. Entweder man besorgt sich einen speziellen Vorverstärker, bei dem sich die Entzerrung einstellen läßt. Oder man schleift in die Wiedergabekette unter Verwendung eines RIAA-Vorverstärkers einen sogenannten Re-Equalizer ein, der die gegenüber der RIAA-Kennlinie erforderlichen Anpassungen vornimmt. Wegen der unbekannten Charakteristik ist die Verwendung der an manchen Verstärkern vorhandenen Klangregler nicht möglich. Möglich ist der Einsatz eines mehrbändigen Equalizers, mit dem man die erforderlichen Einstellungen vornimmt.

Ein Beispiel für einen Schaltplan eines speziellen Vorverstärkers, der schon einige Einstellmöglichkeiten bietet, zeigt entzerrer.htm .
 

Geschwindigkeit

Obwohl Schellackplatten im allgemeinen auch als 78er-Platten bezeichnet werden, kann die erforderliche Geschwindigkeit davon erheblich abweichen. In den Anfängen der Platten lag der Geschwindigkeitsbereich zwischen ca. 60 und 100 Umdrehungen pro Minute. Leider wird die Geschwindigkeit auf der Platte selten angegeben. Neben der 78 findet man nur gelegentlich bei den Columbia-Platten eine Angabe von 80 UpM. Reicht hierfür noch die bei einigen Plattenspielern vorhandene Pitch-Kontrolle (z.B. Thorens 520) aus, so ist das bei den erheblich abweichenden Geschwindigkeiten mancher historischer Aufnahmen nicht möglich. Hier benötigt man einen speziellen Plattenspieler, der einen weiten Bereich der Geschwindigkeitseinstellung ermöglicht.

Nadelschliff

Der Schliff der Nadel ist von entscheidender Bedeutung. Denn alles was danach kommt, kann nur so gut sein wie das, was die Nadel aus der Rille holt. Die späteren Langspielplatten (33 UpM) verwendeten die sogenannte Mikrorille, die eine Nadel mit einem Verrundungsradius von maximal 15 Mikrometer erfordert. Die Rillen der Schellackplatten, die so Normalrillen, sind aber erheblich breiter und benötigen somit grundsätzlich einen größeren Verrundungsradius.

Der Verrundungsradius hat beim Abspielen von Schellackplatten aber auch einen Einfluß darauf, an welcher Stelle des Querschnitts die Rille abgetastet wird. Bei oft gespielten Platten ist die Rille entsprechend abgenutzt. Durch geeignete Wahl des Nadel kann die Rille nun noch ober- oder unterhalb dieser Abnutzung abgetastet werden, wodurch die Wiedergabequalität erheblich gesteigert werden kann.

Als Standard werden bei den Nadeln meist 60 bis 75 Mikrometer Radius verwendet. Bei 80 bis 100 Mikrometer besteht die Chance, die Rille oberhalb der Verschleißzone abzutasten. Allerdings steigt hier die Gefahr von Knacksgeräuschen. Bei Radien kleiner 60 Mikrometer wird man die Rille entsprechend unterhalb der Verschleißzone abtasten und weniger Knacksgeräusche erhalten. Jedoch darf der Radius auch nicht zu klein werden, da sonst die Gefahr besteht, den Grund der Rille zu erreichen. Dann würden die Verzerrungen stark zunehmen und alles wäre verloren.

Dabei ist noch zu beachten, daß sich die Geometrie der Rillen mangels Normung über die Zeit verändert haben. Erfahrungsgemäß haben sich in Abhängigkeit vom Zeitraum folgende Abmessungen bewährt:
 

Herstellungsjahr

Radius [µm]

bis 1920 

100

1920 - 1939

90

nach 1939

70

Ein zusätzlicher Parameter des Nadelgeometrie ist, ob es sich um eine konische oder elliptische Nadel handelt. Die elliptische Form besitzt grundsätzlich eine bessere Höhenabtastfähigkeit. Sie empfiehlt sich jedoch nur bei sehr gut erhaltenen Platten der letzten o.a. Periode, wo auch nutzbare entsprechende Höhen auf der Platte vorhanden sind. Bei älteren Platten und solchen in schlechterem Zustand erzielt man bessere Ergebnisse mit einer konischen Nadel.
 

Einbau des Tonabnehmersystems

Wegen der allgemeinen Bedeutung dieses Themas bei der Schallplattenwiedergabe gibt es hierzu eine gesonderte Seite.



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Letzte Änderung: 18.09.2008